Der NBV wird deutlich Erster im Medaillenspiegel der Gesamten Deutschen Meisterschaft und stellt mit Vivien Schade zudem die erfolgreichste Sportlerin der diesjährigen Spiele. Die Ausgeglichenheit der Medaillengewinne auf die Jugend- und die Erwachsenen-DM ist dabei besonders erfreulich, ist sie doch ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Jugendarbeit nicht nur in früheren Jahren ausgezeichnet funktioniert hat und aus den Jugendlichen von gestern gestandene und auf nationaler Ebene erfolgreich agierende Billardspieler geformt hat, sondern dass auch die heutigen Anstrengungen im Nachwuchsbereich mit Talentsichtung und Perspektivkader die erhofften Früchte trägt. Dabei ist der Erfolg alleine nicht die einzige Motivationsquelle – in Bad Wildungen hat sich wieder einmal eine NBV-Familie gefunden, ein Zusammenhalt, der seines gleichen sucht. Das Bild dieser DM war geprägt von den stets umherwuselnden schwarz-weißen NBV-Jacken, um die nächste Spielerin zu unterstützen, um dem nächsten Sportler ein Getränk an den Tisch zu bringen oder um sich im Zuschauerbereich in eine der hundert- oder tausendfach geführten Fachsimpeleien zu verlieren, um so vielleicht den entscheidenden Denkanstoß, das bestimmte Quäntchen zu bringen. Auch viele Vertreter anderer Landesverbände gaben am Schlusstag freimütig zu: Diese Deutschen Meisterschaften trugen deutlich einen norddeutschen Stempel, so norddeutsch wie lange nicht mehr.
10-Ball:
Im 10-Ball-Wettbewerb der Ladies konnten wir mit Manuela Mannhaupt und Monika Jareki zwei Starterinnen aufbieten. Vor allem Moni hatte ja mit ihrer Finalteilnahme in der 9-Ball-Konkurrenz eindrücklich gezeigt, dass mit ihr in den Rotationsspielarten zu rechnen ist. Für Manuela waren es die ersten Spiele auf dieser Deutschen Meisterschaft und obwohl ihre erste Gegnerin, die sehr erfahrene Lokalmatadorin und Mitfavoritin auf den Deutschen Meistertitel Conny Teichert, schon deutlich mehr Tischzeit über die Woche sammeln konnte, schaffte Manuela mit einer Mischung aus starken Bällen, guter Defensive und dem nötigen Fortune, die Gegnerin in die Entscheidungspartie zu zwingen. Auch hier entbrandete ein offener Schlagabtausch, aus norddeutscher Sicht aber leider mit der falschen Siegerin. Doch noch war die Möglichkeit geblieben, mit einem Sieg über die Verliererqualifikation das Ticket fürs Achtelfinale zu ziehen. Gegen Tatjana Kasper lief aber dann leider nicht mehr viel zusammen und auch hier musste Manuela der verdienten Siegerin den Vortritt lassen. Monika spielte sich hingegen mit zwei klaren Siegen ins Achtelfinale. Besonders ihr deutlicher Sieg gegen die starke Hannoveranerin Sabine Kamplade, die im 8-Ball noch Silber gewinnen konnte, beförderte sie in den Kreis der Mitfavoritinnen. Und dieser Rolle wurde sie im Achtelfinale auch gerecht, als sie mit fehlerarmem Spiel Simone Böhnstedt aus dem Turnier beförderte. Mit Yvonne Ullmann-Hybler wartete dann allerdings eine alte Bekannte bei dieser Meisterschaft. Diese spielte nahezu perfekt und nutzte jeden Fehler von Moni zu einem Spielgewinn und begrub somit Schritt für Schritt die leisen Hoffnungen auf eine zweite Medaille für die sympathische Hamburgrin bei diesen Spielen. Am Ende stand eine deutliche Niederlage gegen eine überlegene Gegnerin und das Fazit, dass Moni sich dieses Jahr äußerst gut und teuer verkauft hat.
Im Senioren-Feld durfte Frank Glaser ins Queue greifen. In der ersten Runde gegen Klaus Schumacher war leider nicht viel zu holen, das für Billardspieler so wichtige Gefühl für den Tisch wollte sich einfach nicht einstellen. Immer wieder kleine Fehler im Positionsspiel potenzierten sich, bis schließlich ein Ball verschossen wurde und der Gegner dankbar abräumen durfte. Und auch im zweiten Spiel gegen Ralf Kotewitsch verlief der Anfang mit zwei verschossenen 10en überhaupt nicht gut. Als der Gegner schon nur noch eine Partie benötigte, stand bei Frank immernoch diese hässliche, runde 0. Frank war aber weit davon entfernt, aufzugeben. Stattdessen erzeugte er mit vorsichtigem Spiel immer mehr eigene Tischzeit und versuchte alles, um doch noch in den Stoß zu kommen. Beim 3:4 konnte Ralf dann aber nach dem Break weiterspielen und behielt die gesamte Partie hinweg die Kontrolle, sodass er schließlich als erster die Chance bekam, das Match zu beenden und diese Chance auch gerade noch rechtzeitig nutzte, um Frank abzufangen. Für Frank war das Gesamtergebnis leider nicht der verdiente Lohn für die Arbeit der letzten Monate am eigenen Spiel. Aber auch bittere Niederlagen sind Erlebnisse, die – richtig analysiert und verarbeitet – einen nur stärker werden lassen.
Bei der Damen-Konkurrenz konnte der NBV, ganz zum Leidwesen der anderen Verbände, wieder mit der vereinten Kraft von Vivien Schade und Angelina Lubinaz an den Start gehen. Vivien startete, wie mittlerweile gewohnt, wie die Feuerwehr. Mit zwei deutlichen Siegen gegen Denise Ganske und ihre Namensvetterin Vivien Heine preschte sie mit Siebenmeilenstiefeln ins Achtelfinale. Angelina konnte nach ihrer Zwangspause im 8-Ball gegen die starke Natalia Gabriel mit gutem und klugem Spiel lückenlos wieder an ihre bisher gezeigten Leistungen anschließen und gewann klar. In der nächsten Runde wartete die junge und talentierte Johanna Indlekofer aus Baden-Württemberg bereits auf sie. Hier entbrannte ein Match, wie es alle Billardspieler so hassen. Obwohl Angelina deutlich weniger Fehler machte, machte sie die entscheidenden und hatte letztlich keinen wirklichen Zugriff auf die Partie. Nun stand sie mit dem Rücken zur Wand, wollte sie noch den Einzug ins Achtelfinale schaffen. Gegen Claudia Köhler ging es aber zunächst so weiter, wie sie es in der Runde zuvor erlebt hatte, nur vielleicht noch etwas krasser. Die gerne mit Übertempo agierende Gegnerin ab und zu die Tasche, woraufhin sich immer wieder eine, den Gesetzen der Chaostheorie gehorchende, Umgestaltung des Tischbildes vollführte, ohne aber der probabilistischen Möglichkeit Rechnung zu tragen, dass Angi im Anschluss denjenigen Ball mit dem niedrigsten numerischen Wert auch mal anspielen könnte. Dieses bemerkenswerte Phänomen musste sich aber im Verlaufe der Partie dann doch dem „Gesetz der Großen Zahlen“ beugen und so konnte die Lübeckerin letztlich doch ungefährdet in die Runde der letzten 16 einziehen. Hier hatte sie am nächsten Tag wenig Mühe mit Nicole Kaldewey, die sich augenscheinlich von der Souveränität ihrer jungen Kontrahentin verunsichern ließ und nicht in ihr Spiel fand. Vivien hatte eine furchtbare Nacht mit wenig Schlaf und leichtem Fieber hinter sich und konnte dem Achtelfinale gegen Celina Visconti nicht ihren gewohnten Stempel aufdrücken. Sie überließ ihrer Gegnerin ungewohnt häufig den Tisch und diese wusste mit diesen Chancen gerade zu Beginn äußerst ergiebig umzugehen. Mehrere Partien spielte die Mannheimerin ganz ruhig und sicher herunter, sodass es lange Zeit ausgeglichen stand. Doch der Name auf der anderen Seite war dann doch etwas zu groß, und so produzierte Celina in den letzten zwei Partien zwei schwere Fehler, die ihr zu Beginn des Matches vermutlich nicht passiert wären. Und als der Stellungsball für die 9 zusammen mit der Weißen fiel, musste Vivien nur noch die Glückwünsche ihrer fairen Gegnerin entgegennehmen...und sich für das Viertelfinale nochmal möglichst auskurieren. Dort stand auch Angelina, gegen ihre Erstrundengegnerin Natalia dieses Mal aber auch auf verlorenem Posten. Natalia spielte sicher und voller Zuversicht, Angi hingegen machte ungewohnte Fehler und fand einfach nicht mehr zu ihrem Spiel. Im Kampf um die begehrten DBU-Kaderplätze war dies für sie ein sehr herber Rückschlag und ein Abschied von der diesjährigen Deutschen Meisterschaft, den sie sich sicher ganz anders vorgestellt hatte. Dass auch ihre direkten Kontrahentinnen um den Kader im Viertelfinale Federn ließen, konnte die ein oder andere Träne der Enttäuschung dann aber auch nicht mehr verhindern. Um Simone Künzl kümmerte sich die NBV-Allzweckwaffe höchstpersönlich. Vivien hatte ihre Power wiedergefunden und spielte gegen Simone wieder ihr absolutes A-Spiel. Und das war auch bitter nötig, weil die Gegnerin auch spürte worum es ging und ihr bestes Spiel an die Platte brachte. Aber zu sicher, gerade auch in den schweren Situationen, agierte Vivi und zog verdient ins Halbfinale ein. Und dieses Halbfinale war das Spiel, das alle Zuschauer sehen wollten. Mit der Grande Dame des deutschen Billards, mit der Bundesligaspielerin Ina Kaplan, die gerade erst von einem internationalen Turniererfolg in der Türkei zurückgekommen war und mit Vivien Schade, die mit ihrem einzigartigen, kraftvollen und sehenswerten Spielstil schon so viele Deutsche Meisterschaften dominiert hat und auch diesen Meisterschaften wieder ihren Stempel aufdrückte, standen sich die beiden eindeutig stärksten Spielerinnen im Feld gegenüber, die schon so viele spannende Kämpfe gegeneinander ausgefochten haben. Und die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Auf dem TV-Tisch sollte sich wieder eine ganz denkwürdige Partie ereignen. Vivien, die in dieser Woche schon so oft ihren Gegnerinnen nicht den Hauch einer Chance ließ, war es diesmal, die zum Zuschauen verdammt war. Routiniert wie ein Uhrwerk spulte Ina ein Brett nach dem anderen runter und spielte dabei 10-Ball am Rande der Perfektion. Als beim 5:0 dann plötzlich die 9 auf dem Tisch blieb, war nochmal Hoffnung für ein Aufbäumen gegeben, aber die von Ina hinterlassene Stellung war sehr schwierig. Das Queue musste von Vivien hochgenommen werden, um mit einem gestochenen Druckstoß über drei Banden auf die 10 zu kommen. Die Stellung kam auch gut, aber die 9 fand leider nicht den Weg in die angesagte Tasche und so konnte Ina nach kurzem Stottern weiter ihr ansonsten fehlerfreies Spiel abspulen und wenige Minuten später ihren Einzug ins Finale feiern. Die ersten Glückwünsche nahm sie dabei von Vivi entgegen, die ihrer Gegnerin nicht nur fair, sondern anerkennend und herzlich zum Sieg gratulierte. Dass sie ihrem sonst so goldenen Medaillenkanon nun noch einen etwas dunkleren Farbton angedeihen ließ, lässt vermutlich die Herzen von Anhängern der Farbenlehre höher schlagen, als die typischen NBV-Herzen, aber letztlich zollte völlig zu recht die gesamte versammelte Billardgemeinde Vivien ihren allerhöchsten Respekt für die in dieser Woche in Bad Wildungen gezeigten Leistungen.
In das Herren-Feld konnte der NBV mit Jan Wolf eine weitere Medaillenhoffnung ins Rennen schicken. Außerdem konnte Kai Krellmann, der eine Woche zuvor sein Debüt bei einer Deutschen Meisterschaft feiern konnte, damals noch im Snooker, nun auch zum ersten Mal am Pooltisch zeigen, was in ihm steckt. Gegen das fehlerfrei Spiel von Ralph Pfeiffer, von dem hier noch öfters die Rede sein wird, war für Kai dann aber nur sehr wenig auszurichten. Er ging immerhin mit 1:0 in Führung, aber in der Folge zeigte Ralph dann, dass seine Silbermedaille im 14/1 kein Unfall war. Dominant und ruhig sammelte er einen Punkt nach dem nächsten auf seiner Seite, ohne seinem Gegner noch mehr als drei schwer zu spielende Sicherheiten zu überlassen. Die Qualität des Feldes wird einfach schon durch die Tatsache deutlich, dass Kai in der Verliererrunde auf niemand geringeren als den jungen, sehr starken Berliner Bundesligaspieler Boris Ivanovski antreten musste. Diese Partie konnte Kai lange offen gestalten, hatte große Spielanteile, aber sein Gegner auch fast immer die bessere Antwort. Zur Mitte des Satzes ist Kai dann in den Bällen, stellt sich aber einen unangenehmen Winkel auf die 6 und vergibt nicht nur den Ball sondern auch die Chance auf den Anschlusstreffer. Boris „klaut“ sich das Spiel und spielt ab diesem Zeitpunkt deutlich energischer und selbstsicherer, sodass er letztlich auch absolut verdient gewinnt, wenn auch das Endergebnis deutlicher ausfällt, als das Spiel eigentlich war. Kai war jedenfalls überhaupt nicht unzufrieden und erfreute sich merklich seiner Teilnahme in dieser vorzüglichen Konkurrenz. Ein Spieler, der einen nicht unerheblichen Anteil an dieser Qualität im Feld besitzt, ist natürlich der Itzehoer Jan Wolf. Er spielte bisher bereits eine ganz hervorragende Deutsche Meisterschaft mit Medaillengewinnen im 9-Ball und 8-Ball. Und jetzt kam seine Lieblingsdisziplin. Im 10-Ball begann er zunächst mit einem klaren Sieg gegen Conny Röhl, bevor die Partie gegen den Deutschen Nationalspieler Luca Menn anstand. Und sehr zur Freude der NBV-Anhänger dominierte Jan mit perfektem Spiel das Match nach Belieben und gewann schließlich mit 6:1 auch in dieser Höhe absolut verdient. Damit war die KO-Runde und damit die heiße Phase erreicht, ab hier kann jedes Spiel das letzte sein, aber jeder Sieg ist auch besonders wertvoll. Jan musste gegen Dennis Stadler antreten. Auch wenn Jan in dieser Partie sicherlich die Favoritenrolle inne hatte, wurde er doch sehr gefordert und musste auch über längere Zeit einem Rückstand hinterherlaufen. Erst ein Spiel vor Schluss konnte der Norddeutsche erstmals die Führung übernehmen, aber die anschließende Partie entwickelte sich zu einem echten Thriller. Das äußerst verworrene Bild ließ es nicht zu, die Partie offen anzugehen, dafür wäre das Risiko viel zu hoch gewesen. Eine gute Sicherheit und ein anschließendes Foul von Dennis war schließlich der Brustlöser. Jan spielte mit Ball in Hand die nächste Sicherheit und löste mit der angespielten 1 zwei press aneinader klebende Folgekugeln. Dennis spielt daraufhin einen sehr kurzen und daher schwierigen, sehr ambitionierten Jumpshot und schafft es nicht nur über die Kugel, sondern ihm gelingt es auch noch, die 1 in die angesagte Tasche zu versenken. Aber kurioserweise läuft, oder besser springt, die Weiße nach dem Kontakt, obwohl reichlich Winkel vorhanden war, der 1 hinterher, überholt sie in der Luft und beide Kugeln fallen nahezu gleichzeitig in die gleiche Tasche. Das zweite Foul und Jan stellt Dennis mit Ball in Hand die nächste knifflige Frage. Knifflig ist ein wenig brav formuliert, ein Ausweg ist eigentlich unmöglich. Eigentlich? Nun, auf einem Billardtisch ist nichts unmöglich, das wissen auch die bis zu den Haarspitzen angespannten Zuschauer. Und Dennis überlegt. Viele Minuten gehen ins Land, bis er sich zu einem Weg entscheidet, ganz schwer, ein Zweibänder nahezu parallel entlang der langen Bande, der diese in einem sehr sehr flachen Winkel treffen muss. Bei diesem Stoß kommt es darauf an, minimales Effet zu geben und perfekt zu dosieren. Der Stoß gelingt ihm perfekt, aber um Haaresbreite verfehlt der Spielball die 2 und Dennis das Viertelfinale. Die NBV-Party kann also noch ein bisschen weitergehen. Jan kriegt es im Viertelfinale mit Eric Mattern, einem sehr jungen talentierten Spieler zu tun, und Jan zeigt von Anfang an, dass er diesmal keine Lust auf einen weiteren Nervenkrieg hat. Der Beginn des Satzes gehört definitiv Jan und als er auf die 10 zum 4:1 anlegt wird das Kugelklackern in der Halle plötzlich von dem berühmten Nokia-Klingelton der sogenannten 0er-Jahre untermalt. Eric, wie von der Tarantel gestochen, stürzt mit seiner Jacke vom Tisch und versucht sich dieser im Nachbarraum zu entledigen. Aber die Schiedsrichter sind auf der Höhe, haben ihre Augen (und dieses mal auch ihre Ohren) überall. Eric erhält die gelbe Karte, Jan ein weiteres Spiel. Von diesem Schlag erholt sich Eric nicht mehr und auch wenn er äußerlich nach der Niederlage gefasst wirkt, möchte man nicht in der Haut des pünktlich nach dem Satz Zurückgerufenen stecken. Es gab schon angenehmere Gespräche. Im Halbfinale ist nach der gezeigten Performance Jan bei den Buchmachern zum absoluten Titelfavoriten avanciert, aber gegen den bereits genannten Ralph Pfeiffer wird das Halbfinale natürlich auch kein Zuckerschlecken. Und leider passieren Jan gerade zu Beginn einige, von ihm so ungewohnte, Schussfehler auf die letzten Kugeln, und Ralph erfreut sich zunächst des verspäteten Erntedankfests. Das bringt auch Sicherheit in sein Spiel und so geht er schnell mit 4:0 in Führung, die Hälfte ist also geschafft. Dass Jan trotzdem noch lange nicht geschlagen ist, beweist er mit einer nun deutlich nervenstärkeren Phase, in der Ralph nach einem Safetyfehler nun seinerseits zum Zuschauen verdammt ist und in den nächsten Partien kaum Tischzeit erhält. Auf einmal ist der Anschluss wieder hergestellt und Jan zeigt einmal mehr, dass er Aufholjagden kann. Aber näher als zum 4:5 kommt er nicht mehr ran, wieder schleichen sich einige Ungenauigkeiten ein und in der Endphase spielt Ralph einfach auch wieder bärenstark. Er gewinnt nicht nur das Halbfinale gegen den Favoriten sondern dominiert auch im Anschluss das Finale und krönt sich damit zum ersten Mal zum Deutschen Meister. Jan kann mit seinem dritten Edelmetall in dieser Woche aber auch sehr gut leben, ist mit sich und der gezeigten Leistung im Reinen und weiß selber, dass der andere es an diesem Tag einfach ein bisschen mehr verdient hatte. Trotzdem ist es die persönliche, vielleicht etwas sympathie-gefärbte Meinung des NBV-Schreiberlings, dass Jan über die Woche der spielstärkste Sportler in der Herren-Konkurrenz, was sich vor allem in seinem dynamischen und intuitiven Spielstil widerspiegelte.
Snooker Herren:
Im Snooker-Feld der Herren war der NBV mit fünf Sportlern sehr gut vertreten. Leider stand im Vorfeld bereits fest, dass nicht alle NBV-Spieler das Achtelfinale erreichen konnten, aber dazu später mehr. Tobias Friedrichs musste sich in seiner ersten Partie mit Richard Wienold messen. Dieser spielte aber seine Breaks sehr souverän durch und setzte mit einer 92 zum 3:0-Sieg eine erste Duftmarke. Leider hatte Tobi im zweiten Match gegen Soner Sari große Probleme, den Tisch richtig einzuschätzen und so musste er sich auch hier mit 1:3 geschlagen geben. Damit war sein Ausscheiden leider schon vor dem letzten Gruppenspiel gegen Daniel Schneider besiegelt, aber er steckte deswegen natürlich nicht auf. Der gemächlichen Spielweise des Gegners zum Trotz schaffte Tobi es mit langem Atem und mutigen Bällen, einen 1:2-Rückstand noch in einen hauchdünnen 3:2-Sieg zu verwandeln. So konnte er sich immerhin mit einem Sieg aus Bad Wildungen verabschieden. Sein Mannschaftskollege vom SC Hamburg, David Aronis, musste hingegen in seiner ersten Partie gleich gegen den späteren deutschen Meister Umut Dervis Dikme antreten und konnte in den Frames zwar gut mithalten, verlor aber ein wenig unglücklich alle drei Frames. Auch die beiden nächsten Matches gingen jeweils mit 1:3 verloren, die Erfahrung hat er trotzdem genossen und gegen Umut einen starken Kampfwillen bewiesen. Die für den NBV aber mit Abstand interessanteste Gruppe war aber die Gruppe E. Hier tummelten sich neben dem Medaillenanwärter Fabian Haken vom SSC Fürth gleich alle drei anderen Norddeutschen. Mit dem Bayern um den Einzug ins Achtelfinale kämpften Robin Otto, Ramzi Ben Ghaffar und Loris Lehmann. Für Robin, der an dieser Stelle vor zwei Jahren noch Edelmetall für den NBV holen und sein Können bereirs unter Beweis stellen konnte, verlief dieses Jahr die Deutsche Meisterschaft leider sehr enttäuschend. Im ersten Spiel gegen Fabian zeigte er wirklich einen Haufen schwerer Bälle, aber der für jeden Billardspieler so wichtige Rhythmus wollte sich einfach nicht einstellen. Immer wieder lief der Ball etwas zu weit, einen Hauch zu kurz, immer wieder rettete er sich mit sehenswerten Bällen, aber irgendwann musste er meistens doch aussteigen...und dann zusehen, wie es beim Gegner fast wie von allein lief. Mit großer Kraftanstrengung konnte er zweimal den Ausgleich schaffen und damit den Decider erzwingen. Aber hier hatte er wieder kein Glück und musste schließlich eine äußerst knappe und schmerzliche Niederlage hinnehmen. Im nächsten Spiel gegen seinen Mannschaftskollegen Ramzi stand er somit schon mit dem Rücken zur Wand. Ramzi hatte in seinem ersten Gruppenspiel auch nicht viel zu melden und musste sich gegen den Lübecker Loris klar geschlagen geben und wäre bei einer Niederlage auch schon aus dem Turnier ausgeschieden. Also schon ein echtes norddeutsches Endspiel, und das in der zweiten Runde der Gruppenphase. Robin gewann den ersten Frame mit mehreren kleineren Serien, aber im zweiten Frame kam Ramzi immer besser in Fahrt und konnte mit einer 88 sogleich ein frameentscheidendes Break und zugleich den Ausgleich schaffen. Von da an war Ramzi spielbestimmend und gewann auch die beiden folgenden Frames souverän. Damit war Robins Ausscheiden leider schon vor dem letzten Gruppenspiel besiegelt. Im letzten Spiel gegen Loris konnte er den ersten Frame gewinnen und damit, somit sei schonmal verraten, Loris seinen einzigen Frameverlust in der Vorrunde beibringen, danach wurde er von Loris aber deutlich dominiert. Im entscheidenden Gruppenspiel rang Ramzi schließlich in einer von Anfang an sehr intensiv geführten Partie Fabian nieder, wobei besonders der erste Frame alles an Spannung bot, was sich die Zuschauer nur wünschen konnten. Im Endspiel auf die Farben war Ramzi bereits enteilt und hatte nach einem Saveduell mit einer dünnen Grünen auf Mitte die Chance, wieder in die Bälle zu kommen, ließ diese aber trotz intensiver Vorbereitung liegen und musste den Tisch wieder an Fabian zurückgeben. Dieser spielte bis Blau runter und sich damit knapp in Führung, konnte aber keine gute Stellung auf Pink erhalten. Es ging also wieder hin und her. Ramzi ging dabei deutlich mehr Risiko als sein Kontrahent, und das zahlte sich schließlich aus. Pink liegt nah an der Fußbande, die Weiße so weit weg, wie sie nur liegen kann, da braucht man schon gute Augen. Er schneidet Pink ohne Anecken in die gelbe Tasche und erhält dank eines mutigen Stoßes, aus dem er soviel Tempo herausgenommen hat, wie nur irgendwie möglich, die perfekte Stellung auf Schwarz. Er lässt nochmal die Weiße reinigen, um die Nerven zu beruhigen. Es hilft. Vielleicht nicht der sauberste Stoß der Snooker-Geschichte, aber Schwarz findet den Weg in die Tasche und Ramzi den Weg zur 1:0-Führung. Im zweiten Frame kommt er früh in die Bälle und macht in Windeseile das 2:0 mit einem schönen 67er-Break. Aber die Nerven der Fans, noch nicht strapaziert genug an dem Tag, werden von den beiden Kontrahenten auf die Zerreißprobe gestellt. Die nächsten beiden Frames sichert sich Fabian mit starkem Spiel und so geht es im Decider um nicht mehr als den Achtelfinaleinzug. Hier kommt Ramzi als erster in die Bälle und behält unter dem größten anzunehmenden Druck die Nerven und eine ruhige Hand. Er folgt Loris nach diesem Krimi ins Achtelfinale. Damit ist aus der Vorrunde eigentlich alles erzählt. Alles? Nun, die vielleicht beste Partie des gesamten Turniers spielten Loris und Fabian gegeneinander. Fabian erzielte dabei zwei Breaks von 47 Punkten, aber nichtmal das reichte, um auch nur einen einzigen Frame gegen Loris zu gewinnen. Dieser erzielte in allen drei Frames Breaks von über 50 Punkten und beendete die Partie mit einer schier unglaublichen Serie von 131 Punkten! Dies war nicht nur mit gehörigem Abstand das höchste Break der diesjährigen Deutschen Meisterschaft, sondern Loris stellte sogar einen neuen Rekord auf für das höchste jemals in der Geschichte der Deutschen Meisterschaft erzielte Break. Im Achtelfinale kam es zwischen Ramzi und Alexander Widau zu einem knapp drei Stunden währenden Thriller, in dem der Hamburger zweimal in Frames ausgleichen konnte, aber letztlich im entscheidenden fünften Frame nicht mehr wirklich in die Bälle kam und der Gegner äußerlich ruhig und souverän die Kontrolle auf dem Tisch behielt und erst nach dem Frameball Emotionen zeigte und den Zuschauern deutlich machte, welcher Druck doch auf ihm gelastet haben musste. Ramzi hat den NBV-Anhängern tolle Kämpfe gezeigt und diese wie sich selbst mit einer unglaublich intensiven Deutschen Meisterschaft belohnt. Loris machte da weiter, wo er zuvor in der Gruppenphase aufgehört hatte. Aus nahezu jeder Situation erzielte er kontrolliert hohe Breaks, häufig über 50, manchmal frameentscheidend hoch. Für seinen wacker kämpfenden Kontrahenten Marec Stachly war die Gangart an diesem Tag eine Nummer zu hoch und so zog Loris eindrücklich in die Runde der letzten 8 ein. Hier wartete Christian Richter, der bis dahin nicht in der Form überzeugen konnte, wie es Loris gelungen war. Christian war bisher überwiegend über den Kampf gekommen, hohe Breaks waren bei ihm eher die Ausnahme. Leider waren das genau die Qualitäten, die in diesem Match gefragt waren. Loris schaffte es erstmals nicht, seine Breaks in entscheidende Höhen treiben zu können. Immer wieder wurde er zu schweren Bällen gezwungen, die auch mal daneben gingen oder in Safeduelle getrieben, in denen Christian ein ums andere Mal die besseren Antworten fand. Auch wenn die Nordlichter am Seitenrand es gerne anders gesehen hätten, an diesem Tag war Christian einfach der bessere Spieler und der verdiente Sieger. Eine Einschätzung, die Loris ohne mit der Wimper zu zucken, gleich nach dem Spiel teilen konnte. Er hatte mit einer ganzen Reihe an hohen Breaks und vor allem mit dem neuen Rekord eh schon allen bewiesen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Mit dieser sympathischen Truppe von erstklassigen Snookerspielern kann sich der NBV auf viele lustige und erfolgreiche Deutsche Meisterschaften in den nächsten Jahren freuen! Und so ganz ohne norddeutsche Beteiligung war das äußerst spannende Snooker-Finale auch nicht. Peter Steiner leitete nicht nur nach zwei Jahrzehnten sein letztes Spiel als Schiedsrichter auf einer Deutschen Meisterschaft, sondern stand bei dieser denkwürdigen Partie, in der Umut ein 0:3 noch in einen frenetisch bejubelten 4:3-Erfolg ummünzen konnte, auch noch in der ersten Reihe. Der allseits geschätzte und stets freundliche Peter wurde im Anschluss nicht nur von allen Schiedsrichterkollegen wärmstens verabschiedet, sondern auch nach einer herzlichen Laudatio von der DBU mit ihrer höchsten Auszeichnung, der Goldenen Ehrennadel, geehrt. Danke Peter!
5-Kegel:
Der norddeutsche Meister im 5-Kegel-Billard, Bruno Lüdemann von der BGH, machte sich auf nach Bad Wildungen, um sich gegen die Größen dieses Sports, die nahezu ausschließlich im Osten Deutschlands ansässig sind, zu behaupten. Seine ersten drei Gruppengegner waren allesamt ehemalige Deutsche Meister, namentlich der junge Michel Peters, der seinen damals als Überraschung eingeschätzten Titelgewinn von 2021 im Folgejahr verteidigen konnte und der seitdem niemandem mehr beweisen muss, was für ein hervorragender Billardspieler er ist, dann Sven Petzke, der bereits vor 15 Jahren seinen ersten nationalen Titel holen konnte und der seitdem zur absoluten Elite gehört und schließlich Aniello Monteforte. Dieser Spieler aus dem Mutterland des dort, in Italien, Birilli genannten 5-Kegel-Billards hat auch schon alles gesehen, was auf einem Billardtisch passieren kann (außer vielleicht, dass eine Kugel Lochmitte in die Tasche fällt). Gegen diese Auswahl nationaler Spitzenspieler heißt es für Bruno nur, Erfahrungen zu sammeln, da ist er selber realistisch genug. Dafür sind im Norden die Trainingsmöglichkeiten zu begrenzt, die Leistungsdichte zu niedrig. Aber er hatte nicht vor, sich unter Wert zu verkaufen. Und eines hat Billard mit dem großen Bruder Fußball gemein, jede Begegnung beginnt bei null zu null, beginnt auf Augenhöhe. Und diese versuchte Bruno immer so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. So konnte er gegen jeden Gegner zumindest einen Satz so gestalten, dass er in Schlagdistanz war, einen Satz zu gewinnen. Doch die Gegner stoßen mit scharfem Arsenal und so fanden sie in den kritischen Situationen leider immer die besseren Antworten. Im letzten Gruppenspiel gegen den jungen Nationalspieler Nick Haake war zwar das Viertelfinale nicht mehr zu erreichen, aber zumindest ein guter Abschluss der DM. Und das gelang Bruno hervorragend. Mit richtig gutem Kegelbillard dominierte er das verdutzte Jugendtalent und brachte es mit sehr guter Defensivarbeit und dem nötigen Glück an den Rande der Verzweiflung. Der besonnene Stil des Norddeutschen, der mit stoischer Ruhe Punkt um Punkt, Kegel um Kegel einsammelte, gaben Nick schließlich den Rest. Bruno gewann klar in zwei Sätzen und war mit seiner Leistung, nicht nur in diesem Spiel, sichtlich zufrieden.
Dreiband Herren:
Auf dem kleinen Brett traten zum Ende der Deutschen Meisterschaft dann auch die Herren an. Der Norden war mit Hajo Schröder, Martin Smrcka, Olli Weese und Ulf Kiehn deutlich stärker vertreten als in den letzten Jahren und hatte mit Martin, eine absolute Koryphäe des norddeutschen Billardsports, der aber nach einem langwierigen Nervenleiden erst langsam wieder in Tritt kommt, und Olli, der in der Vorbereitung zur DM noch eine 25 auf das blaue Tuch zu zelebrieren wusste, zwei äußerst heiße Eisen im Feuer. Martin verlor leider zu Beginn direkt die vorentscheidende Partie ums Weiterkommen mit einer ihn nicht zufriedenstellenden Leistung, aber dafür sind aktuell seine Performances einfach noch zu wechselhaft, was während der Zeit der Genesung aber völlig natürlich ist. Er wollte es trotzdem sogleich besser machen, und spielte gegen den späteren Deutschen Meister Markus Dömer eine Partie wie aus einem Guss. Leider gelang das seinem Gegner auch, sogar noch ein kleines bisschen besser. Trotz der zweiten Niederlage blieb Martin der versöhnliche Abschluss mit 33 Punkten in 22 Aufnahmen sich ganz hervorragend verabschiedet zu haben. Ulf gelang in seiner ersten Partie die erste Sensation des Wettbewerbs, als er den hoch favorisierten Jörg Undorf kurz vor Schluss noch mit einer atemberaubenden Serie überholte und schließlich um einen Punkt schlug. Jörg benötigte dabei im Nachstoß nur zwei Punkte zum Ausgleich, als ihm sogar ein perfekter Anstoß gelang und er rot richtig schön nah in die Ecke brachte. Aber nicht nah genug. Rot ließ einen minimalen Korridor, den der gelbe Spielball auch sogleich fand und so Jörgs Niederlage gegen das Wedeler Billard-Schwergewicht besiegelte. Leider konnte Ulf an die gezeigte Leistung nicht mehr anknüpfen und musste nach zwei Niederlagen in der Folge trotzdem nach der Gruppenphase die Segel streichen. Hajo und Olli spielten zusammen in einer Gruppe, allerdings waren ihre Gruppengegner mit Mitfavorit Tay-Dien Truong und dem sehr starken Martin Ulbig wirklich schwere Kost. Olli spielte seine erste Partie gegen Martin leider nicht sehr gut, die Gewöhnungsphase an das schwierige Material dauerte einfach zu lange. Im zweiten Spiel gegen Hajo machte er es schon wesentlich besser und gewann souverän. Hajo hatte zuvor sein erstes Gruppenspiel gegen Truong auch schon erwartungsgemäß abgeben müssen. Damit stand vor der letzten Runde fest, dass nur noch Olli eine Chance auf das Weiterkommen hatte. Dafür musste er gegen Truong gewinnen und zeitgleich auf einen gnädigen Ausgang in der Partie zwischen Hajo und Martin hoffen. Hajo hielt sehr gut mit, aber Martin spielte pünktlich seine beste Partie, sodass Hajo trotz nahezu eines Punktes pro Aufnahme den kürzeren ziehen musste. Olli musste nun also gegen den lustigen Bayern alles rausholen, er spielte einen unfassbaren Schnitt von 1,8 Punkten pro Aufnahme, aber Truong machte mal wieder Truong-Sachen, spielte mehrere Serien von über 5 Punkten und siegte letztlich mit einem 2er GD doch hauchdünn. Damit schaffte es leider keiner der vier NBV-Recken, das Achtelfinale zu erreichen, es dafür aber in die Herzen der überwiegend Karambol-fernen norddeutschen Billardgemeinde. Na, wenn das nichts ist!
Damit gingen wieder unglaublich schöne und intensive Billard-Tage zu Ende. Wir haben wieder alle möglichen Emotions-Achterbahnen befahren dürfen, haben tolle Gespräche führen und neue Freundschaften knüpfen können, alte Bekanntschaften wiedertreffen und neue Erinnerungen schaffen dürfen, vor allem aber haben die Spielerinnen und Spieler, unabhängig von ihrem aktuellen Leistungsstand, ihre Grenzen erfahren und verschieben gelernt. Und es war eine helle Freude, ihnen dabei zusehen zu dürfen!
Auf ein Wiedersehen in Bad Wildungen 2025, bis dahin verbleibt nur die Parole auszurufen:
Nur der NBV!
Herzlichst euer Clemens Philippen
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